Spulen, Wandern, Parallelität, Spaltung

Spulen

Ich wecke mich
Durch mein Aufwachen
Meine Kleider trage ich schon
Erst seit drei Tagen
Zum Spätganzen
Eine Messerspitze Weisswein
Schrubbe mein Gesicht
Mit Honigöl
Einen Spiegel gibt es nicht
Ich ertaste mir meine Schönheit
Mit den Zehen ab
Fliege von draussen nach drinnen
Der 25. Monat im Jahr ist heiss
Zum Glück schneien
Dann immer Haferflocken
Vom Boden herauf
Heute sind die Büsche nicht blau
Sondern lila
Die betongeputzten Bäume erzählen
Zukünftige Geschichten
Ich bin laktosetolerant
Die Muhen kühen und
Die Autos sind leer
Das Lenkeck hat von
Hintenoben die Durchsicht
Über die volle halbe Flussroute
Ich steige unters Wasser
Und lausche den Abgasen vor
Die Nacht wird türkis
Orangepissige Blumenwolken
Schafherden im weichen Laub
Ich kenne niemanden
An vertrauten Ufern
Was bringt mir schon Koffein
Wenn es Zahnpasta zum Träumen gibt

 

Wandern

Ich gehe hinein
In den Sommer
Trample mir die Füsse wund
Vor lauter Wegbahnen
Zielstrebig und planlos
Kreuze ich Pflanzen
Halme und Äste
Blütenstaub bleibt an mir kleben
Langsam streife ich den Winter ab
Tausche ihn mit einem Blumenkleid
Blauer Himmel
Streift meinen Scheitel
Mein Blick löst sich von dem Grün
Und kehrt sich ins Innere
Dort platzen gleich
Die Knospen auf
Pinseln meine Gedanken an
Neuanstrich
Man nennt es auch
Frühlingsputz

 

Parallelität

Sich neu benennen wollen
Neu einspuren
Einfügen
Eingleisen

Die eingefleischten Muster betrügen
Sie hinterfragen
Hintergehen

Umwandlung
Neue Muster
Neues Modell
Systemänderung

Durch die zweite Identität
Ein Parallelleben erbauen
Um sich von sich selbst
Loslösen zu können
Nicht in einen Stillstand zu gelangen

Ein Parallelleben
Um dem Leerlauf
Zu entkommen

 

Spaltung

Sich selber aufbrechen
Zubrechen
In sich hinein
Brechen
Ständiger Zusammenbruch
Der gegenwärtigen Wirklichkeit
Ineinanderbruch
Zwischen
Gestern
Morgen
Heute
Aus Bruchstücken von Vergangenem schöpfen
Gegenwärtiges Brechen verhindern
Zukünftiger Aufbruch herbeisehend
Mittels Bruch
Zum ersehnten
Aufbruch


Sophie Thomas

ist letzten Sommer aufgebrochen, um ein Semester in Hamburg zu studieren, Germanistik und Theaterwissenschaft, und wird im Sommer in Bern abschliessen. Wohin es sie nachher verschlägt, ist noch unklar - aber ein Bruch kommt bestimmt.